International
Russland

Live-Eklat im russischen Staatsfernsehen: «Die Nordkoreaner sind alle»

Live-Eklat im russischen Staatsfernsehen: «Die Nordkoreaner sind alle»

Ein Putin-treuer Talkshow-Gast enthüllt live im TV unbequeme Details über den Ukraine-Krieg. Die Moderatorin versucht, ihn zum Schweigen zu bringen. Doch er redet sich um Kopf und Kragen.
08.02.2025, 11:5608.02.2025, 11:56
Ellen Ivits / t-online
Mehr «International»
Ein Artikel von
t-online
Dmitri Absalow ist Dauergast der Propaganda-Show "60 Minuten". Nun hat er sich aber verplappert und widerspricht sogar Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Dmitri Absalow ist Dauergast der Propaganda-Show "60 Minuten". Nun hat er sich aber verplappert und widerspricht sogar Kremlsprecher Dmitri Peskow.Bild: Screenshot Rossija 1

Die Propagandasendung «60 Minuten» im russischen Staatssender Rossija 1 (Russland 1) ist berüchtigt für die Ausfälle ihrer Moderatorin Olga Skabejewa. Die Talkmasterin ist für den metallischen Klang ihrer Stimme und ihren Moderationsstil à la KGB-Verhörspezialistin bekannt. Ihre Art hat ihr den Spitznamen «das eiserne Püppchen» eingebracht, den die Pressesprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa, in Umlauf gebracht hat. Doch ihre aggressiven Ausfälle gelten meistens dem «kollektiven Westen», dem «senilen» Joe Biden oder den vermeintlichen ukrainischen Nazis.

In der vergangenen Woche bekam ihre Wortgewalt jedoch ein hauseigener Experte ab. Dmitri Absalow ist Dauergast ihrer Sendung, die mindestens fünf Stunden pro Tag ausgestrahlt wird. Der Präsident des Zentrums für strategische Kommunikation hält sich dabei getreu an die vorgegebenen Leitlinien und Narrative des Kremls. Doch nun leistete er sich einen Ausrutscher. Während einer Diskussion über den Krieg in der Ukraine begann der geladene Gast plötzlich Fakten zu nennen, die der Kreml nicht verbreitet wissen möchte.

Zunächst sprach er von einer Intensivierung der Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges, vor allem zwischen den USA und Russland. Diese würden «höchstwahrscheinlich in Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfinden», erklärte er. Doch das wollte Skabejewa nicht in ihrer Sendung hören. «Glauben wir da etwa Reuters», fuhr sie dazwischen. Doch Absalow reagierte ungewohnt widerspenstig: «Wir haben schliesslich auch Reuters die Berichte über den Einsatz nordkoranischer Soldaten geglaubt. Die sind nun alle und im nächsten Monat kommt die nächste Partie.»

«Warum sind sie alle? Was ist passiert?»

«Ist das irgendein Insight des russischen Verteidigungsministeriums?», versuchte Skabejewa ihren Gast in eine unangenehme Erklärungsnot zu bringen, woher er die erwähnten Informationen habe. «Wollen Sie nicht mehr dazu erzählen?», fragte sie süffisant nach. «Die nordkoranischen Soldaten sind alle», wiederholte Absalow. «Warum sind sie alle? Was ist passiert?», stichelte im Gegenzug wieder Skabejewa.

An dieser Stelle merkte der Politologe wohl, dass er sich um Kopf und Kragen zu reden drohte. «Weil es ihnen schwerfällt, gegen Drohnen zu kämpfen», schob er hinterher. «Wie viele waren es denn? Niemand hat irgendwo offiziell eine Angabe dazu gemacht. Sie sind der Erste. Ausser den Amerikanern», konterte die Moderatorin.

Doch Absalow gab nicht nach und verglich die Situation mit dem Verkauf iranischer Drohnen an Russland. Diesen Umstand wollte der Kreml einst auch lange nicht eingestehen, nun ist aber deren Einsatz in der Ukraine eine bekannte Tatsache. «Nordkoreanische Militärkräfte waren dort im Einsatz. Nun sind sie im Januar offensichtlich alle gegangen», wiederholte er seine Wortwahl – offensichtlich im Versuch, nicht von Gefallenen zu reden.

Talkshow-Gast gerät in Rage

«Wir verbreiten aber nicht amerikanische Narrative», fuhr Skabejewa dazwischen. «Es sind die Amerikaner, die darüber diskutieren, dass 15'000 Nordkoreaner getötet wurden – sie hätten nicht gewusst, wie man kämpft, und deshalb seien sie abberufen worden. Weder das Verteidigungsministerium noch Peskow noch irgendein Beamter in unserem Land haben darüber gesprochen», machte sie die offizielle Linie deutlich. Dasselbe gelte auch für mögliche Verhandlungen. Peskow habe die Berichte dementiert. «Wir glauben Peskow und nicht Trump», postulierte Skabejewa.

An dieser Stelle geriet ihr Talkshow-Gast in Rage. «Am Anfang hiess es, wir führen gar keine Verhandlungen. Danach hiess es, wir führten keine offiziellen Verhandlungen. Also führen wir inoffizielle Verhandlungen, richtig? Dann liess man verlautbaren, dass wir natürlich keine Verhandlungen führen, aber man habe eine gemeinsame Position mit den USA erarbeitet. Wie kann man eine Position erarbeiten, wenn man keine Verhandlungen führt? Das ist die Frage», fasste Absalow die Absurdität der Kremlpropaganda in den vergangenen Wochen zusammen.

Nach diesem Eklat im Studio beobachten nun die russischen Zuschauer, was mit dem Experten geschieht. Das entsprechende Videosegment verbreitete sich augenblicklich in den sozialen Netzwerken und löste eine Welle des Spotts aus. Viele erkennen in diesem Vorfall eine Zensur innerhalb der Propagandamaschinerie selbst, die bereits beginnt, ihre eigenen Mitarbeiter zu «verschlingen».

Die Präsenz nordkoreanischer Soldaten an der Front ist für Wladimir Putin ein Tabu-Thema. Denn dieser Umstand läuft der Propaganda zuwider, wonach sich der Kreml nicht vor freiwilligen Rekruten retten kann, die mit Freude in den Krieg ziehen.

Verwendete Quellen:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
80 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Omnomnomnivor
08.02.2025 12:29registriert Juni 2018
Sehr geehrter Herr Absalov
Trinken Sie bitte vorerst keinen Tee mehr und bleiben Sie Balkonen und Fenstern fern.
4697
Melden
Zum Kommentar
avatar
Doppellottotreffer
08.02.2025 12:37registriert September 2021
Anscheinend hat sich Absalow eine Parterre-Wohnung genommen und sich vom Arzt eine Tee-Allergie bescheinigen lassen.
Gut zu sehen, wie es im Gebälk des Kremls knackt.
3006
Melden
Zum Kommentar
avatar
Jep.
08.02.2025 12:51registriert Januar 2022
Ein bisschen Hintergrundinfo zu Absalow fände ich noch praktisch. Ausser dass er regelmässiger Gast der Talkshow ist, fehkt da viel Kontext. Woher hat er Infos, wie ist er mit Kreml, Militär, Politik verbandelt, usw. usf.
1995
Melden
Zum Kommentar
80
    Ukraine bestätigt Teilnahme an Verhandlungen in Istanbul

    Kiew hat einem russischen Vorschlag für eine weitere direkte Gesprächsrunde zur Beendigung des Ukraine-Kriegs zugestimmt. «Am Montag wird unsere Delegation von (Verteidigungsminister) Rustem Umjerow geleitet», schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der Plattform X. Das Treffen soll wie die erste Runde vor zwei Wochen im türkischen Istanbul stattfinden. Der Beginn sei für 12.00 Uhr MESZ im Ciragan-Palast angesetzt, hiess es aus dem türkischen Aussenministerium.

    Zur Story
    OSZAR »