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«Manosphere» und «Red-Pill-Theory» – Wie Männer gebrainwashed werden

Die Red-Pill-Theory zieht Männer tiefer in den Frauenhass.
Die Red-Pill-Theory zieht Männer online tiefer in den Frauenhass.Bild: comments://763373846/568162
Analyse

«Manosphere» und «Red-Pill-Theory» – wie Männer gebrainwashed werden

Rechtsextreme Theorien und Misogynie verbreiten sich immer mehr auf Social Media – wieso das nicht nur für Frauen gefährlich ist.
02.04.2025, 19:5303.04.2025, 14:12
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Die neue Netflix-Serie «Adolescence» hat auf der ganzen Welt zu Diskussionen über die Krise der Männlichkeit geführt. Die Serie zeigt in vier Episoden, wie gross der Einfluss der sozialen Medien auf Jugendliche ist und wie einfach man dabei in gefährliche Extreme abrutschen kann. Auch wenn die Serie nicht auf einer realen Begebenheit basiert, gibt es genügend reale Fälle, mit ähnlich schlimmem Ausgang. In der sogenannten «Manosphere» geistert seit Jahren die «Red-Pill-Theory» umher, die genau solche frauenverachtenden Ansätze verbreitet.

Was ist die Manosphere?

Die Manosphere besteht aus Online-Gruppen von Männern, die sich kritisch oder feindselig gegenüber Feminismus und Gleichstellung äussern. Die Bildung dieser Gruppen geschieht etwa auf Reddit, Instagram oder YouTube.

In der Manosphere gibt es verschiedene Untergruppen:

  • MRAs: MRA steht für Men's Rights Activist. Diese Männer setzten sich für Männerrechte und gegen feministische Ansätze ein.
  • PUAs: Pick-Up-Artists geben anderen Männern Tipps, wie man Frauen erobern kann. Dabei geht es meist darum, Frauen zum Sex zu überreden.
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  • Incels: Incel ist eine Abkürzung für «Involuntary Celibate, also «Unfreiwillig zölibatär». Dazu gehören Männer, die unfreiwillig ohne sexuelle oder romantische Beziehungen leben und häufig Frauen oder attraktivere Männer dafür verantwortlich machen. Dieser Begriff wird oft als Beleidigung verwendet und führte auch in «Adolescence» zum grossen Absturz der Hauptfigur.

Das Vorbild für viele dieser Männer ist der Influencer Andrew Tate, der gerade wegen Vergewaltigung, Menschenhandel und der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur sexuellen Ausbeutung von Frauen angeklagt ist.

epa11980128 Former professional kickboxer and social media influencer Andrew Tate speaks with TV reporters after returning from a trip in the United States, in front of their property, in Bucharest, R ...
Andrew Tate verbreitet auf seinen Kanälen Misogynie und rechtsextreme Theorien.Bild: keystone

Die Red-Pill-Theory

Eine Theorie, die aber fast alle dieser Männer in der Manosphere glauben, ist die «Red-Pill-Theory». Die Red-Pill-Theory stammt aus dem Film «The Matrix». Wenn man dort die rote Pille schluckt, erkennt man die «harte Wahrheit», während einem die blaue Pille erlaubt, ein Leben in bequemer Ungewissheit zu leben. In der Manosphere steht die rote Pille für die Erkenntnis, dass Feminismus die Unterdrückung des Mannes bedeutet. Man hat also die rote Pille geschluckt (Red-Pilling genannt) und erkennt endlich die harte «Wahrheit», wie Frauen ihre Macht ausüben, indem sie sich etwa in die Opferrolle begeben.

Diese Theorie bewirbt auch Andrew Tate in seinen Videos. So ploppen unter Videos, die den Influencer kritisieren, immer wieder Kommentare wie «Escape the Matrix» oder «Ihr seid einfach noch in der Matrix gefangen» auf. Diese Kommentare gibt es auch bei uns auf dem watson Instagram-Account.

So werden Anhänger der Red-Pill-Theory gebrainwashed

Die Menschen, die die Red-Pill-Theory verbreiten, wenden oft, bewusst oder unterbewusst, eine Form von Brainwashing an. Dazu gehören laut verschiedenen Expertinnen und Experten:

  • Einseitiges Weltbild: Die Red-Pill-Theory pauschalisiert und vereinfacht Geschlechterrollen. Dabei fallen Sätze wie: «Alle Frauen manipulieren Männer» oder «Wenn du das tust, werden dir alle Frauen zu Füssen liegen». Solche Aussagen werden immer wieder wiederholt, was ein klassisches Anzeichen für ideologische Konditionierung ist. Konditionierung bedeutet, dass Menschen durch ständige Wiederholung bestimmter Überzeugungen und Denkweisen so «manipuliert» werden, dass sie diese unkritisch übernehmen.
  • Isolation: Creator, die die Red-Pill-Theorie verbreiten, fördern eine Wir-gegen-Alle-Mentalität. Wer widerspricht, wird ausgegrenzt oder im Fall der Manosphere als «Teil der Matrix» abgestempelt. Somit verlieren Gegnerinnen und Gegner der Theorie jede Möglichkeit, Kritik zu üben und die Community bleibt isoliert.
  • Emotionale Trigger: Die Theorie nutzt Frustration, Enttäuschung oder Verletzung, um Männer «auf ihre Seite» zu ziehen. Zum Beispiel nach Trennungen oder sonstigen emotionalen Verletzungen und Krisen. Die negativen Gefühle werden ausgenutzt und kanalisieren meist in Hass und Misogynie. Ein Beispiel dafür wäre: «Du warst nett, hast sie respektvoll behandelt, warst immer für sie da – und was hat sie getan? Sie hat dich verlassen für einen Typen, der sie behandelt wie Dreck. Warum? Weil Frauen keinen netten Kerl wollen. Sie wollen den Alpha.»
  • Versprechen von Macht: Bei der Red-Pill-Theorie wird einem ein Versprechen von Kontrolle und Macht gegeben. À la: Wenn man «aufwacht», bekommt man die Kontrolle über sein Leben und über die Frauen. Typische Aussagen sind hier: «Du wirst nicht mehr um die Aufmerksamkeit von Frauen betteln – du wirst wählen können». Dies schafft Hoffnung auf ein besseres Leben, was den Verbreiter dieser Theorie für den Empfänger sympathischer macht und an ihn bindet.

All diese Taktiken führen dazu, dass die Red-Pill-Theorie und die damit verbundene Misogynie sich weiter verbreitet. Die Algorithmen auf Social Media führen zudem dazu, dass man sich in diesen hassvollen Gedanken nicht mehr alleine fühlt, da man in eine Bubble mit «Gleichgesinnten» gespült wird. Diese Bedenken äusserte unter anderem die Psychologin Brigitte Temel vom Wiener Institut für Konfliktforschung und fordert, dass Antifeminismus und die damit verbundenen Strömungen ernster genommen werden sollten, da sie der Grund für Femizide und andere Gewalttaten gegenüber Frauen sein können.

So schadet die Manosphere den Männern

Doch die Red-Pill-Theory schadet nicht nur den Frauen, sondern auch den Männern. So reproduziert sie stereotypische Männerbilder und verstärkt die Rollenverteilung, unter denen auch Männer leiden. So werden Männer etwa ermutigt, keine Gefühle mehr zu zeigen, Männer, die anderer Meinung sind, zu hassen und es wird das Bild verstärkt, dass nur einige Männer wertvoll sind, nämlich diese, die bei Frauen landen können und sogenannte «Alphas» sind.

Zudem führt es auch zu immer grösser werdenden Gräben zwischen Männern und Frauen. Denn wächst der Frauenhass, reagieren manche Frauen auch mit Männerhass, sogenannter Misandrie, was dazu führt, dass sie nichts mit Männern zu tun haben wollen, was wiederum das Narrativ verstärkt, dass Männer keine Frauen abbekommen.

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471 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Floh Einstein
02.04.2025 20:24registriert Januar 2014
Die Alpha-Männchen-Theorie in Wolfsrudeln wurde übrigens von ihrem Autor selbst widerrufen.
Und in der Software-Entwicklung steht "Alpha" für eine unfertige Version, die noch so fehlerhaft ist, dass man sie nicht auf die Kunden loslassen kann.
Daran denk ich gerne, wenn sich eine Person als "Alpha" bezeichnet.
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Statler
02.04.2025 22:29registriert März 2014
Auf die Gefahr hin, falsch verstanden zu werden: Ich glaube, diese ganzen Diskussionen sind nicht wirklich zielführend.
Ich verstehe mich weder als Feminist, noch als Mano-Dingenskirchen, sondern als Humanist.
Ich frage mich nicht, wie ich ein «richtiger Mann» sein kann (der Begriff an sich ist schon Blödsinn). Die eigentliche Frage lautet: Wie bin ich ein guter Mensch. Und das bedeutet, dass ich für alle die gleichen Rechte fordere, egal, was sie zwischen den Beinen haben, wie sie sich fühlen, welche Hautfarbe sie haben, welche Herkunft, etc. pp.
Alles andere trennt uns, statt dass es eint.
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Dickes Brötchen
02.04.2025 20:39registriert März 2016
Schon lustig. In meinem ganzen Umfeld inkl. Partnerin existiert diese mediale Thematik nicht. Da gibt es kein Männer gegen Frauen und umgekehert. 🤷‍♂️
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