Am Sonntag hat David Degen erst einmal seine Eltern in Lampenberg besucht. Und natürlich die Partie Servette-YB geschaut, deren Ausgang darüber entscheiden musste, ob der FC Basel bereits an diesem Tag auch offiziell Meister werden würde. Nach der ersten Halbzeit fuhr Degen Richtung St. Jakob-Park, wo die Mannschaft sich vor einem Bildschirm versammelt hatte: «In der Hoffnung, dass wir es schaffen.»
Stunden später, unten auf dem Barfüsserplatz stieg die tobende Meisterfeier, stand der Verwaltungsratspräsident vor den Medien und zog sein persönliches Fazit.
Es waren nicht nur einfache Zeiten, seit Sie beim FC Basel am Ruder sind. Was hat den Ausschlag gegeben, dass es nun mit dem Titel geklappt hat?
David Degen: Das ist schnell gesagt: Die Zahnrädchen haben ineinandergegriffen. Wir, die am Ruder sind, haben viel Vertrauen zueinander, diejenigen, die in den Gremien sitzen, wissen, um was es geht. Wir sind sehr kritisch miteinander, und das verstehen viele Aussenstehende vielleicht nicht: Es ist kein Auf und Ab, sondern wir haben einen klaren Fokus und ein klares Ziel. Intern war immer klar, um was es geht und was wir wollen, egal, was geschrieben wurde und was die Leute gedacht haben. Fakt ist, das wir keine Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen haben, sondern alles durchdacht ist. Deshalb bin ich riesig stolz, auf alle Mitarbeiter, auf jeden, der etwas dazu beigetragen hat. Und das Ergebnis sehen wir ja jetzt – das macht den FC Basel aus.
Sie sind nur ganz kurz auf dem Balkon gewesen, um mit den Fans zu feiern.
Mir ist wichtig, dass alle anderen im Vordergrund sind. Ich hätte es nicht geschafft ohne das gesamte Team. Deshalb sollen die Spieler, der Trainer und Daniel Stucki im Vordergrund sein. Ich feiere lieber im Stillen, und die Verarbeitung des Ganzen wird erst in den nächsten Tagen möglich sein. Manchmal realisiere ich, was gerade passiert, in anderen Momenten wieder nicht. Ich denke dann an die zurückliegenden vier Jahre zurück und an alles, was ich erlebt habe.
Spüren Sie so etwas wie Genugtuung?
«Genugtuung» ist das falsche Wort. Wir haben immer einen Plan gehabt und haben den durchgezogen, egal, wie schwierig es war, und egal, welche Störfeuer es gab. Wir sind bei uns geblieben, vor allem wir vier (Aktionäre; Anm. d. Red.): Ursula und Andreas Rey, Dan Holzmann und ich. Uns ging es um finanzielle Stabilität, darum, nur auszugeben, was wir auch einnehmen und nicht auf Pump zu leben. Und vor allem: Nicht auf Hoffnung zu setzen. Denn, das sage ich immer wieder: Hoffnung kostet im Fussball enorm viel Geld und gibt dir keine Garantie auf Erfolg. Das haben wir in den vier Jahren versucht vorzuleben und den Menschen glaubhaft zu vermitteln. Das haben wir durchgezogen, egal wie gross die Widerstände waren.
Dennoch: Es ist exakt auf den Tag vier Jahre her, dass Sie den FC Basel in einer schwierigen Situation übernommen haben. Wie emotional war es für Sie, raus auf den Balkon zu treten vor die jubelnden Fans?
Schon emotional. Aber wie gesagt: Ich freue mich riesig für die Mannschaft und alle. Aber Emotionen zeigen, hier, das kann ich nicht, aber innerlich sind sie gewaltig. Und wir sehen ja: Der FCB hat Fans wie kein anderer Klub in der Schweiz und in Europa muss man auch weit suchen. Und für solche Feiern – dafür arbeiten wir tagtäglich.
Sind Sie überrascht, dass es jetzt so schnell zu einem Titel gereicht hat und am 1. Juni nach dem Cupfinal womöglich noch ein zweiter hinzukommt?
Was heisst überrascht? Wenn man mich im Winter gefragt hätte, hätte ich gesagt: Unter uns: Es könnte möglich sein. Das Ziel war immer Platz 6, aber wenn man die Qualität anschaut, die wir im Winter mit Metinho und Philip Otele dazubekommen haben, zwei entscheidende Bauteile, die uns im zentralen Mittelfeld und auf dem Flügel gefehlt haben, war uns klar: An der Qualität der Spieler liegt es nicht. Am Schluss haben wir die PS auf die Strasse bekommen und eine Serie hingelegt, mit der wir zuoberst stehen.
Was sind die wichtigsten Faktoren für die Entwicklung in dieser Saison und diese Meisterschaft gewesen?
Wir sind als Team zusammengerückt. Das war ein entscheidender Schritt.
Und Xherdan Shaqiri?
Dem baue ich ein Denkmal vor dem Stadion. Er hätte auch nach Saudi-Arabien oder sonst wo hin wechseln können, aber er ist den unbequemen Weg gegangen zurück zum FCB, mit dem er nach acht Jahren wieder einen Titel gewonnen hat. Das hat er angekündigt, als er gekommen ist. Und der Druck für ihn war enorm, das wissen viele nicht, aber ich weiss es und ich kann es nachempfinden. Er hat den Druck von anderen Mitspielern genommen, die dadurch wachsen konnten. Shaq hat geliefert, Hut ab! Das ist eine Bilderbuchgeschichte und ganz grosses Kino, für das ich fast keine Worte finde.
Gab es den einen Moment, das Spiel in dieser Saison, als Sie dachten: «Jawohl, wir können den Titel schaffen»?
Schwer zu sagen. Lugano auswärts, als wir gewonnen haben (es war ein Unentschieden; Anm. d. Red.). Lugano galt als Meisterschaftsfavorit Nummer 1, wobei ich zu diesem Zeitpunkt immer noch vor YB gewarnt habe. Es gab viele Momente, in denen wir auch hart mit uns ins Gericht gegangen sind. Die Leute wissen ja nicht, was intern abgegangen ist. Es ist viel geschrieben worden, viel Stimmung gemacht worden. Jetzt stehen wir hier, und vielleicht haben wir doch das eine oder andere richtig gemacht.
Was braucht es nun, um den Erfolg nachhaltig zu machen, um nächstes Jahr mit möglicherweise wieder stärkeren Young Boys erneut vorne mitspielen zu können?
Als ich übernommen habe, hatten wir acht Gehaltsmillionäre. Das war nicht einfach zu managen. Jetzt haben wir drei, vier Säulen, auf die wir für die neue Saison aufbauen. Drumherum können wir junge, wilde und hungrige Spieler laufen lassen. Es werden Leihspieler zurückkommen, Junge, die sich bewährt haben. Klar ist: Wir müssen die richtigen Entscheidungen treffen und Daniel Stucki und sein Team haben schwierige Wochen vor sich. Weil der Fussball seine Regeln hat. Wir müssen einfach unseren Job machen und werden alles unternehmen, um nächste Saison wieder konkurrenzfähig zu sein.
Wie schwierig wird der Spagat, auf der einen Seite Kasse zu machen mit ein paar Spielern und andererseits kompetitiv zu bleiben, auch auf noch höherem, europäischem Level?
Ich habe es wiederholt gesagt: Mittlerweile sind wir wirtschaftlich an einem Punkt angekommen, wo es nicht mehr darum geht, Kasse zu machen. Vor zwei, drei Jahren hat das noch anders ausgesehen, da mussten wir Geld haben, um zu überleben. Aber im Fussball-Business bestimmt der Markt, und es wird Spieler geben, für die lukrative Angebote kommen werden und die den nächsten Schritt machen wollen. Und sobald das Angebot stimmt, weiss man doch, was passiert. Das müssen die Leute mal verstehen: Es geht nicht um Geld machen und verkaufen. Wir wollen unsere Spieler halten, aber der Fussball-Markt hat seine eigenen Regeln.
Shaqiri wäre aber sicher ein Haus Lieber😉
Also: Danke Dave!