Es ist wohl eines der berühmtesten Fan-Bilder der Fussballgeschichte. Weil es die Leidenschaft perfekt einfängt, die man in der Kurve ausleben kann, und das schon als Kind. Dass es nicht die feine Art ist, als Fünfjähriger anderen mit zornigem Blick den Mittelfinger zu zeigen, macht das Bild des Fotografen Jasper Juinen zum vielfach geteilten Meme.
Entstanden ist das Bild beim UEFA-Cup-Final 2002 – und zwar vor dem Anpfiff während einer Schweigeminute. Es zeigt Mikey Wilson, einen jungen Anhänger Feyenoords. Viele Jahre später schildert er gegenüber «Sportbible», wie es zu dieser Geste gekommen ist.
Wilson erzählt vom Halbfinal-Hinspiel bei Inter Mailand, zu dem ihn sein Vater mitgenommen hat. Vor dem Spiel seien sie in der Stadt in einem Café gesessen und einige Italiener hätten ihm, dem kleinen Knirps, die Mittelfinger-Geste beigebracht und ein italienisches Fluchwort. Gut möglich, dass es Fans des Stadtrivalen AC Milan waren, die ihn auf die Partie gegen Inter vorbereiteten.
Mit einem überraschenden 1:0-Sieg reiste Feyenoord zurück und weil das Rückspiel in Rotterdam 2:2 endete, zog der Klub in den Final des UEFA-Cups, der heutigen Europa League, ein.
Gegner dort ist Borussia Dortmund und die Partie findet in einer angespannten Atmosphäre statt. Grund dafür ist der Tod des Politikers Pim Fortuyn. Zwei Tage vor dem Final hatte ein militanter Tierschützer den umstrittenen Rechtspopulisten erschossen. Kurz wird diskutiert, ob das Fussballspiel deswegen verschoben wird. «Es ist sehr schwierig, mein Team auf die Partie einzustimmen», sagt Feyenoords Trainer Bert van Marwijk. «Es war ein grosser Schock als ich hörte, was geschehen ist.»
Bevor das Spiel los geht, gibt es eine Schweigeminute im Gedenken an Fortuyn. «Während es still war, begannen Dortmund-Fans zu singen», erzählt Mikey Wilson. Der Fünfjährige, auf den Schultern seines Vaters sitzend, erinnert sich in diesem Moment an die Leute vom Café in Mailand. «Ich streckte meinen Mittelfinger in die Höhe und rief das Fluchwort, das sie mir beigebracht hatten.»
Auf dem Rasen entwickelt sich ein Schlagabtausch mit fünf Toren zwischen der 30. und der 60. Minute. BVB-Weltmeister Jürgen Kohler, bald 37 Jahre alt und im letzten Spiel seiner Karriere, fliegt nach einer Notbremse vom Platz, dazu gibt es Elfmeter, den Pierre van Hooijdonk zum 1:0 verwandelt. Wenige Minuten später bezwingt der niederländische Nationalstürmer mit einem wunderbaren Freistoss den BVB-Torhüter Jens Lehmann zum zweiten Mal.
Marcio Amoroso bringt Dortmund kurz nach Wiederbeginn wieder heran, doch postwendend sorgt der Däne Jon Dahl Tomasson für die alte Zwei-Tore-Führung des Heimteams. Mehr als den nochmaligen Anschlusstreffer durch den 2,02 m langen Tschechen Jan Koller – ein Dropkick aus 20 Metern – bringen die personell dezimierten Borussen nicht mehr zustande.
Nach dem Mord an Pim Fortuyn hat die Stadt keine Feierlichkeiten zugelassen, die Feyenoord-Fans machen die Nacht trotzdem zum Tag. Mikey Wilson ist da wohl längst im Bett.
Das Internet existiert 2002 zwar schon, aber Memes verbreiten sich noch lange nicht so schnell wie heute. So dauert es lange, bis Wilson ein Teenager ist, als ihn das legendäre Bild einholt. «Für mich ist das bis heute eigentlich nichts besonderes», sagt er, «aber alle in meinem Umfeld halten es für ein legendäres Foto.»
Sein Vater sehe das genauso, erzählt Wilson, der bis heute ein glühender Feyenoord-Fan mit Saisonkarte ist. «Deshalb haben wir das Bild rund 20 Jahre später nachgestellt.»
Das Schlimmste ist, dass viele noch stolz auf so was sind.